Das ist Günther
Scholl aus Bonn, aus einem Foto
herausgeschält und trickgemalt, um ihn zu treffen.
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So
fühlte von 15 bis
18 ich mich, Chris Mennel, ein Scholl-Schüler,
hier gemalt von Dali :-) ...Na
gut, ich gebe zu, dieses durchscheinende Gefühl steckt auch
heute noch manchmal in mir. Aber es gibt keinen göttlichen Vater über mir.
Scholl sitzt gemeinsam mit mir beim Abendmahl. Er hat ein paar
versprengte Jünger, und ich habe ihn - als Freund. Ans Kreuz schlagen
lassen wird sich keiner von uns beiden. Eher wollen wir diese Kreuziger
aufs Kreuz legen. Manche können uns sogar kreuzweise, vor allem
an diesem belanglosen Gymnasium, wo in der Entstehungszeit von
90 Prozent der Aquarelle dieser Homepage Günther Scholl Lehrer
spielt und ich Schüler.
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Scholl, Bonn,
Dali und ich - ein
Vorwort vom 23.3.2008
Beim Malen war ich der „Scholl-Wunsch-Schüler"
- absichtslos malte ich los und wuchs an dem Linienkram entlang, an den
Farbphänomenen, die sich da ergaben. Ich war ein konsequent moderner
wilder junger Maler ohne einen Hauch von Technik, mit einer launischen
Originalität. Die Titel, die Themen, die matschigen Farben - das war
tiefspontanes Urgewächs, ein skurriler Kindergarten. Ja, ich matschte
konsequent.
Unser Kunstlehrer Günther Scholl an einem ansonsten
farblosen Gymnasium in Bonn hatte unbrave wenige
Botschaften an uns. Von dreißig Mitschülern saßen fünfundzwanzig
ratlos da, aufgewachsen in einer Welt der Gebrauchsanleitungen. Ich sah,
hörte, begriff diesen Scholl und malte los. Da gab es kein Halten und
keine Bremse. Ich durfte, und oh ja, ich tat! Eine der wenigen
Botschaften war: Um Himmels willen, mischt die Farben. Nehmt nicht das
reine Vorgegebene. Ehrt zum Beispiel den Ocker, diese Erdfarbe, als
Basis... allein dem Ocker habe ich zehn pur aus Ocker wachsende Bilder
gemalt. Sie durften ins Rot toben und das Umbra loben - aaaah, Kosmos
der Farben, Wunder der Formentstehung!
Allerdings litt ich an meiner technischen
Unfertigkeit. In mehreren Bildern kämpfte ich dagegen an, indem
ich von mir in der Technik Bewundertes dezent nachmalte - sehr dezent.
Ich habe soweit das Nachgemalte freigestellt und uminterpretiert, dass
nur vielleicht bei drei von zehn Imitationen noch die Herkunft
recherchiert werden kann. Solche Bilder, stundenlange Versuche,
bestimmte Maltechniken von Vorbildern herauszufinden, erstellte ich
zuhause. Kaum betrat ich Scholls Kunstraum, verließ ich Imitation und
Interpretation und versank ins
„Scholl-Delirium", ließ ihn reden, rumbrüllen, Banjo spielen
und was er so machte in seinen Stunden, und produzierte derweil
schnelle
Aquarelle am laufenden Band, im Trance-Zustand.
Auch ein paar
Tableaus komponierte ich
zuhause, geplante inhaltliche Arrangements. Solche Tableaus, wie auch
gemalte Nachempfindungen von technisch mich beeindruckenden Vorbildern,
blieben aber letztendlich auf der Strecke. Ich akzeptierte das „Schollsche
Wilde", ließ die Bilder zu neunzig Prozent aus dem Nichts wachsen. Und wenn sie
Titel
tragen, auf die keiner absichtlich je kommen würde: Das stimmt, sie
sind im typischen Fall die schnell gesprochene erste Bilanz am Ende
eines Malvorgangs, ganz reflektionsfrei.
Ist
eigentlich irgendjemandem außer mir bei der Dali-Ausstellung in
Stuttgart aufgefallen, dass dieser Mann durchgehend fantastische Titel
für seine Bilder hat - und dass diese gelungene Titelwelt ein Fünftel
der Qualität seiner Werke ist? Wie bei Dali - oh Mann, der hatte auch
noch eine gute Maltechnik - so bei mir. Jaja,
Aquarell bei mir statt
Öl bei Dali, Schlampenbilder statt Wunder des Bildarrangements, Dali ist klar
besser - aber wir machen wenigstens beide gute Titel :-)
Jetzt sind sie jedenfalls namentlich beisammen, meine zwei
auseinanderliegenden Vorbilder: Scholl und Dali. Mehr braucht es auch nicht in mir. Klar mag
ich die Werke Hunderter von Zeichner. Insbesondere Comicmaler (Manaaaaara) und ihr
namenlosen Airbrushkünstler, Hardrock-Artisten und
Kitschimpressionisten - ich liebe euch. Aber Dali war knapp vor der
Vollendung - hätte der Typ doch Gesichter so gut erwischen können, wie
es Hunderte von Namenlosen um ihn schaffen - aber nein, da hatte er ein
Problem, bei den Gradaus-Ins-Gesicht-Porträts - nun gut, so bleibt auch
er Fragment.
Und weil auch Dali Fragment bleiben musste, bin ich gar
nicht erst mehr geworden als ein kleines Bruchstück. Ein drei oder vier
Jahre drei oder vier Stunden in der Woche rasend malendes, ein in etwa
drei Feriendoppelwochen zusätzlich bildproduzierendes Bruchstück, das
am Ende seiner Schulzeit, grade mal 18 geworden, schon fühlte:
Bubi,
das war´s für dich mit Aquarellen.
Ich kann kaum malen ohne Scholl. Ohne
sein wirres Gebrüll mit seinen Redefragmenten. Der Gar-Nicht-Lehrer.
Der Genieförderer. Niemand sonst liebte mich als Maler. Ja,
"liebt". Das ist seine dauerhafte Präsenz: Er schaut auf
meine Aquarelle und geht auf Augenhöhe. Das hab ich doch sonst nie. Er war
so sicher, dass ich mich genau als Maler durchsetze. Nein, Bubi, ging
nicht. Ich hatte so viel bei dir produziert, für den
hermetisch kleinen
Kreis aus dir und mir, dass ich schon satt war. Und ich habe zuhause
malend reingelauscht in den großen Sprung zum Malprofi, in den Sprung
zum Anfertigenkönnen der Bildvisionen, die mir ganz
eigentlich entsprachen.
Ich selbst strebte nämlich zu weitergehenden
Inhalten, als sie in deinen
Stunden wuchsen. Ich bin kein Malpflanzerlproduzent eigentlich. Ich bin
schon so´n Dali. Und nach dem Reinlauschen in das handwerklich
Erforderliche, um meine ganz eigenen inneren Bilder auf die Leinwand zu
zwingen, habe ich es beim Pubertätsstreich gelassen, der mir im Rahmen eines
schulischen Angebotes vor die Füße gerollt war - bei den
Malpflanzen in Scholls Delirium-Klassenraum.
Ich denke, dass ich zu Recht nach der
Zeit des Gymnasiums nur noch bei sehr besonderen Anlässen weiter malte.
Im Mahlstrom des Malerkunstmarktes, in der Botschaftswirrnis der
Kunstschulen, in der Gängelei durch Galeristen, Journalisten und Kunden
hätte es mich zerrieben. Ich blieb ein eindeutiger Jünger mit klar
benennbaren Über-Ichs: Scholl, Dali, satt und aus.
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